Jenseit des Tweed by Theodor Fontane

Jenseit des Tweed by Theodor Fontane

Autor:Theodor Fontane
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: ELV
veröffentlicht: 2017-11-15T00:00:00+00:00


Ein Sonntag in Perth

Ein Sonntag in Schottland ist für den Reisenden wie ein Gewitter bei einer Landpartie. Man regnet ein, man kann nicht weiter, die gute Laune ist hin. Mit den Sehenswürdigkeiten Stirlings waren wir fertig und erschraken vor dem Gedanken, vierundzwanzig Stunden auf ein altes Times-Exemplar und eine schweigsame Table d'hôte angewiesen zu sein. Glücklicherweise erbarmte sich unser ein Frühzug, der uns, trotzdem es in Schottland keine Sonntagszüge gibt, gegen zehn oder elf Uhr vormittags nach dem alten, oft besungenen Perth führte.

Mit diesem Frühzug, der den Sonntag entheiligt, verhält es sich ähnlich wie mit dem Champagner auf der Tafel eines Türken, er geht nämlich unter einem anderen Namen. Dieser Sonntagszug ist eigentlich ein Sonnabendszug. Das hat folgenden Zusammenhang. Die große Nordbahn, die England und Schottland von der Sohle bis zum Scheitel durchläuft, hat einen allabendlichen Schnellzug festgesetzt, versteht sich mit Ausnahme des Sonntags. Wer nun am Sonnabendabend in London einsteigt, um über Edinburgh nach Perth und Aberdeen zu fahren, ist begreiflicherweise im Einklang mit Sitte und Gesetz; selbst die Kirchlichkeit eines Schotten kann keinen Anstoß daran nehmen. Ist es doch nicht seine Schuld, dass der Schnellzug nicht noch schneller fährt und der Sonnabend beim Sonntag borgen muss. Nur das Benutzen dieses Zuges, sobald er schottischen Grund und Boden berührt hat, ist natürlich verpönt; doch was wäre Fremden nicht erlaubt!

Wir waren nun also in Perth. Als wir aus dem Bahnhofsgebäude heraustraten und auf einen kahlen Platz blickten, auf dem sich Sonnenschein und Staubwolken um den Vorrang stritten, murmelte Freund B. vor sich hin: 'Ein Sonntag in Perth scheint noch schlimmer als ein Sonntag in Stirling', worauf ich nichts Besseres zu erwidern wusste als:

Schlimmer hier oder schlimmer dort,

Jedenfalls ein andrer Ort.

Als sich die Staubwolke gelegt hatte, lasen wir an der Giebelseite des Hauses 'Mr. Pople's English Hotel', und da wir soeben von einem echtschottischen Mr. Campbell kamen, so wählten wir, schon des Kontrastes halber, das englische Gasthaus, das in nächster Nähe vor uns lag. Mr. Campbell und Mr. Pople verhielten sich zueinander wie ihre Namen, der eine schroff, selbstbewusst, kriegerisch, der andere still, friedlich, gemütlich. Unsere Frage nach einem Zimmer wurde rasch bejaht und Koffer und Reisesack in eine Mansardenstube gebracht, an der die Aussicht der einzige Luxus war. Nach wenigen Minuten schon saßen wir wieder unten auf der Steinbank vorm Hause, lachend, fragend und plaudernd mit Wirt und Wirtin. Da hörte man denn manches bittre Wort. Die beiden Leute waren aus dem Süden, aus Devonshire, das der Garten Englands heißt und das so milde Luft hat, dass noch um Weihnachten herum das Land im Schmuck von Myrte und Lorbeer steht. Sie fühlten sich nicht heimisch in Schottland. Klima und Menschen waren ihnen zu rau und der schottische Sonntag zu streng. 'So kann es nicht bleiben; die Schotten fühlen es selbst; sie haben sich eine Rute aufgebunden, als sie den Forbes Mackenzie nach London schickten. Sonntagsfeier ist gut, aber schottische Sonntagsfeier ist nicht gut und ruiniert das Geschäft.' Es interessierte uns höchlichst, diese Engländer über schottisches Leben genau so sprechen und aburteilen zu hören, wie wohl Deutsche zu sprechen pflegen, wenn sie nach England kommen.



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